Auf den Bändern des Sentiero Alfredo Benini | © Ralf Voßeberg / DAV Mainz
Rifugio Tuckett | © Andreas Böttcher / DAV Mainz
Großartige Aussicht von der Tuckett-Scharte | © Erika Chaari  / DAV Mainz
Gruppenbild (mit Blick auf den mittleren Abschnitt des Sentiero Bocchette Alte) | © Oliver Bischof / DAV Mainz
Aussicht auf schneebedeckte Gipfel | © Erika Chaari  / DAV Mainz
Am Wegesrand | © Andreas Böttcher / DAV Mainz

Brenta-Klettersteige: La Via delle Bocchette

Klassische Hüttenrunde durch die Dolomiti di Brenta

01.02.2025

Die Dolomiti di Brenta, nördlich des Gardasees gelegen, hatten viele aus unserer Gruppe schon seit Jahren auf dem Wunschzettel - nun war es endlich so weit.

Im September 2024 (09.-14.09.2024) waren wir spektakulär auf waagerechten Bändern durch die senkrechte Felsenwelt der Dolomiti di Brenta unterwegs - die Via delle Bocchette ist einer der einzigartigsten Panoramasteige der Alpen und verläuft auf einer Höhe von meist 2500 m - 2700 m scharf entlang des Brenta-Hauptkamms. Sie gliedert sich in einzelne Teilabschnitte über Grate und schmale Bänder mit berauschenden Tiefblicken, Klettersteigpasssagen, langen Eisenleitern und kürzeren Gletscherpassagen.

Die Runde verlief von Hütte zu Hütte - wir hatten den Rucksack sehr sparsam gepackt und unterwegs die hervorragende italienische Küche genossen!

Montag: Anreise nach Madonna di Campiglio / Aufstieg zum Rifugio Graffer (2261 m)

Die Anreise begann für einige schon am Vortag: Während Sandra aus der Sektion Oberschwaben schon im Schlafwagen horizontalisiert war, gaben sich Ralf und Dustin in Innsbruck größte Mühe, sich auf den erhöhten Kalorienbedarf der nächsten Tage einzustellen. Andreas und Martina trafen sich in einer Trattoria in Trient/Trento für ein bisschen Dolce Vita vor der Tour. Die Fahrgemeinschaft mit Erika, Oliver und Hans startete morgens ab 03:30 Uhr direkt von Mainz aus ihre Anreise.

Mit der Schlüsselstelle des ersten Tages waren die Zugreisenden unerwartet am überfüllten Busbahnhof von Trento konfrontiert: Streik!!! Nach einer adrenalinreichen Stunde fährt dann doch unser Bus vor. So konnten wir auf Plan B, das freundliche Abholangebot mit PKW, verzichten.

An unserem Treffpunkt an der Talstation der Grostè-Seilbahn sind alle pünktlich am Start. Nach einer Cappuccino-Runde mit Erikas leckerem Birnenkuchen machten wir uns auf den Weg zum Rifugio Graffer. Die 7,5 km lange Tour mit 700 HM nutzten wir als ruhige Eingehtour, bei der sich alle in der Gruppe noch besser kennenlernen konnten. Nachdem wir die Skipisten hinter uns gelassen hatten, ging es bei schönstem Spätsommerwetter recht beschaulich über Almwiesen aufwärts - vor uns schon das beeindruckende Ensemble aus hellen Dolomiten-Türmen, welches wir in den nächsten Tagen auf seinen charakteristischen Bändern und auf Klettersteigen durchqueren wollten.

Die Hütte war kaum belegt … Nachsaison? Wir genossen die Ruhe und den italienischen Rotwein, während unser Tourenleiter Oliver uns detaillierter auf die Via della Bocchette einstimmte.

Text: Martina

Dienstag: Über den Sentiero Alfredo Benini zum Rifugio Tucket (2272 m)

Der zweite Tag begann mit einem landschaftlich wenig spektakulären Anstieg vom Rifugio Graffer zur Bergstation der Seilbahn auf den Grostè Pass. Dort gab´s einen superleckeren Kaffee, zubereitet von unserem „Barista“ Dustin, was die allgemeine Stimmung nach dem aromaarmen Hüttenkaffee und der Aussicht auf öde Skipisten erheblich verbesserte. Diese „Kafferunde“ wurde auch bei allen größeren Pausen an den nächsten Tagen zu einem schönen Ritual.

Beim Einstieg zum Klettersteig „Sentiero Alfredo Benini“, der historisch jüngsten Etappe unserer Klettersteigrunde auf 2726 m trafen wir auf mehrere kleine und größere Gruppen von Klettersteiggehern. Das Gewusel entzerrte sich aber recht schnell, sodass wir mit gutem Tempo vorankamen. Der gut gesicherte und unschwierige Klettersteig (A+B) schlängelt sich überwiegend auf der Sonnenseite entlang der Ostwände der Cima Grostè und der Cima Falkner, mit traumhaftem Blick auf die schneebedeckten Gipfel der Adamello-Gruppe. Während ein Teil der Gruppe die anstehende Pause zur Erholung nutzte, schob ein anderer Teil eine kurze Gipfelbesteigung ein, was sich bei den sonnigen und stabilen Wetterverhältnissen anbot.

Der Abstieg erfolgte anfangs über ein umfangreiches und teilweise steiles Leitersystem bis zur Tuckett-Scharte und von dort über die mit Geröllschutt bedeckten Gletscherreste zum Rifugio Tuckett.

Text: Erika

Mittwoch: Die längste, kühnste, höchste und schwierigste Etappe der Tour - il Sentiero Bocchette Alte. Über die Spalla di Brenta (3002 m) und den Spallone die Massodi (2999 m) zum Rifugio Alimonta (2580 m)

Aufstehen & Frühstück
Tagwache um 04:50 Uhr - der frühe Vogel fängt den Berg, sagt man. Allerdings schien unser Frühstück eher auf den späten Vogel abzuzielen: trockenes Brot, Zwieback und kalter, süßer Tee, stilecht serviert im Schuhraum. Ein Frühstück, das nicht satt machte, sondern Mut. Aber immerhin waren wir pünktlich um 06:00 Uhr am Start.

Aufstieg zur Tuckettscharte – Kraxeln für Fortgeschrittene
Die Tuckettscharte präsentierte sich als unsere Schlüsselstelle der Tour - eine Kraxelei, die uns alle zum Schwitzen brachte, selbst um diese frühe Stunde. Hans ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und sinnierte philosophisch: "Die Welt dem, der sie genießt.“ Ein kluger Mann, dachte ich, während ich versuchte, die Welt zu genießen, ohne dabei rückwärts abzustürzen.

Pause mit Aussicht
Kurz nach der Tuckettscharte kam die Sonne raus, und wir gönnten uns eine Pause. Die Ausblicke waren atemberaubend, was allerdings auch am morgendlichen Höhenstress liegen konnte.

Klettersteig & Corona-Kaffee
Der Klettersteig begann – ein Stück, das nicht nur die Beine, sondern auch den Kopf forderte. Am Biwakplatz machte der selbsternannte „Chef de la Kaffee“ seinem Titel alle Ehre: Es wurde Corona-Kaffee serviert, den wir uns redlich verdient hatten. Der Koffeinschub half, die nächste Herausforderung zu bewältigen.

Scala degli Amici – Leiter fürs Ego
Die Scala degli Amici wartete mit einer 30 Meter hohen Leiter auf uns, die senkrecht und ausgesetzt den Berg hinaufführte. Eine Erfahrung, bei der man nicht an seine Höhenangst, sondern an seine Armkraft glauben musste. Oben angekommen, fühlten wir uns wie Helden – zumindest bis wir die Tourendaten sahen.

Tourendaten des Tages:
          •        Dauer: 8:23 Stunden
          •        Aufstieg: 931 Hm
          •        Abstieg: 538 Hm
          •        Strecke: 8,33 km
          •        Maximale Höhe: 2993 m

Hüttenzauber im Rifugio Alimonta
Endlich, das Ziel: Rifugio Alimonta. Hier erwartete uns nicht nur Erholung, sondern auch ein Festmahl. Jemand sorgte für den Spruch des Tages, als er zu einem unserer Mitstreiter meinte: „Du hast dich zum Einzelzimmer geschnarcht.“ Dustin war davon so motiviert, dass er nachts gleich ins Nebenzimmer umzog, um dort den Schnarcher zu wecken.

Kulinarik & Abendprogramm
Nach einer ordentlichen Zwischenmahlzeit mit Nudeln in Sahnesoße und Omelett gab es ein geselliges Abendessen. Der gute Parmesan hob die Stimmung, während aus unserer Runde großzügig eine Runde Grappa spendiert wurde. Ein Liter Bier kostete stolze 12 €, was in dieser Höhe als Luxusartikel durchgeht.
 
Den Abend ließen wir beim Rommé ausklingen, wobei Andreas triumphierte. Manche sagen, sein Sieg lag am Grappa - wir aber wissen, es war pure Genialität.

Zusammenfassung des Tages
Ein Tag voller Höhen und Tiefen – im wahrsten Sinne des Wortes. Von trockenen Frühstücksbrötchen über schwindelerregende Leitern bis hin zu nächtlichen Schnarch-Interventionen war alles dabei. Doch eines steht fest: Die Welt gehört wirklich dem, der sie genießt – und wir haben sie genossen, mit allen Höhen und Hüttenzaubern.

Text: Dustin

Donnerstag: Über die Bocca di Brenta (2552 m) zum Rifugio Tosa e Pedrotti. Am Nachmittag über Sentiero Palmieri und Via Ferrata Mariella Apollon zum Rifugio Agostini (2410 m)

Bereits in der Nacht bewahrheitete sich die Wetterprognose - die Kaltfront hatte uns bereits in den ersten Stunden des nächsten Tages erreicht. Während es an der Hütte regnete, zeigte der morgendliche Blick aus der Tür Gipfel, die eine Schicht Puderzucker erhalten hatten. Daher war die Entscheidung schnell getroffen: Statt des Klettersteigs "Sentiero Bocchette Centrale" nahmen wir den "Sentiero Bogani", der uns über ein kleines Schneefeld und eine versicherte Steilstufe zur Bocca di Brenta und weiter zum Rifugio Tosa e Pedrotti führte.

Dort konnten wir uns aufwärmen und stärken, bevor wir den "Sentiero Palmieri" gen Rifugio Agostini in Angriff nahmen. Leider jedoch nun mit einem Mann weniger: Dustin fühlte sich gar nicht gut und entschied, ins Tal abzusteigen und sich bis zur Rückfahrt auszukurieren.

Da der Weg südseitig schneefrei war, nahmen wir die obere Variante des Weg und damit das „Klettersteigchen“ Via Ferrata Mariella Apolloni. Eine willkommene Abwechslung an diesem wenig aussichtsreichen Tag - ebenso wie die Gams, die wir im weiteren Verlauf trafen. Nach einer guten Weile tauchte dann die Hütte aus dem Nebel auf, und wir freuten uns auf die warme Stube. Wir wurden nicht enttäuscht - diese Hütte war wirklich sehr familiär und gemütlich.

Text: Sandra

Freitag: Über Rifugio Tosa e Pedrotti zum Rifugio Brentei (2182 m)

Unser Plan für diesen Tag versprach lange aufsteigende Leiterpassagen und beeindruckende Aussichten - es sollte über die Via Ferrata Castiglioni zum Rifugio Dodici Apostoli und weiter über den Sentiero Martinazzi zum Rifugio Brentei gehen. Bereits am Vorabend konzentrierten sich die Überlegungen jedoch darauf, ob uns das Wetter für diese Etappe akzeptable Rahmenbedingungen geben würde. Konstanter Schneefall und für die Jahreszeit ungewöhnliche Kälte mit entsprechender Eisbildung auf den Wegen rund um die Hütte stellten unseren Plan auf ein wackliges Fundament. Es stand "Spitz auf Knopf", mal war auch unser Tourenleiter eher optimistisch, dann wieder eher kritisch. Selbst am Morgen (bezeichnenderweise Freitag, den 13.) gab es noch kein ganz klares Bild. Einige wenige Bergführer gingen die Route, Oliver entschied für unsere Gruppe, den sicheren Weg ohne die Klettersteigpassagen zu wählen. Keine leichte Entscheidung (zumal wir alle - bei guten Bedingungen - gerne diese Route gegangen wären), aber genau die Richtige. Chapeau!

Eine Bestätigung dieser Entscheidung erhielten wir am Abend von einer anderen Gruppe, die unsere geplante Etappe an diesem Tag gegangen war. Vereiste Leitertritte, Überhangpassagen, bei denen die riesigen Eiszapfen vor Begehung abgeschlagen werden mussten ... mit anderen Worten ein sehr riskantes Unterfangen. Dagegen konnten wir mit der gewählten Bergwandervariante über das Rifugio Tosa e Pedrotti (mit stärkender Mittagspause) zum Rifugio Brentei sichere Wege und nochmals tolle Aussichten auf die Brenta-Türme genießen.

Nicht wir bezwingen die Berge - vielmehr lassen die Berge mit Ihrer Kraft manchmal unseren Besuch zu. Dies hat sich wieder einmal eindrucksvoll gezeigt ...

Text: Ralf

Samstag: Abstieg zum Ausgangspunkt / Heimreise

Nach einer doch recht kühlen Nacht auf dem Rifugio Brentei hieß es Abschied nehmen von der Brenta - es ging nun talwärts. Der Blick zurück auf die mächtige Wand der Cima Tosa war nochmals ehrfürchtig.

Wir wählten den Weg Nr. 318 vorbei am Rifugio Casinei und weiter bergab den Wanderweg zum Hotel "Vallesinella". Auf den Bus von hier nach Madonna di Campiglio verzichteten wir und folgten stattdessen dem Forstwanderweg bis zur Talstation der Bergbahn Grosté. Hier stellten wir bei einer letzten gemeinsamen Cappuccino-Runde fest: „Alles richtig gemacht!“. Mit diesem Gedanken und vielen weiteren positiven Erinnerungen und Bildern im Kopf machten wir uns dann auf die Heimreise Richtung Mainz.

Es war eine absolut fantastische Mehrtagestour über viele Klettersteige in den beeindruckenden Brenta-Dolomiten mit einer großartigen Gruppe! Die Hütten waren allesamt klasse, die Klettersteige abwechslungsreich und spannend und die Ausblicke in den Bergen einzigartig. Gerne wieder!

So macht Bergsteigen Spaß!

Text: Hans
Redaktion: Oliver + Andreas

Fotos: Martina, Erika, Dustin, Sandra, Ralf, Hans, Oliver, Andreas