Zugewinn im Doppelpack: Eine Hütte und eine Kletterhalle
Bei der Jahreshauptversammlung des Millenium-Jahres 2000 - der Mitgliederstand hat die stattliche Zahl von 2.511 erreicht - wird Philipp Albert zum 1. Vorsitzenden gewählt. Er hatte 14 Jahre lang das Amt des Schatzmeisters bekleidet und kennt das Innenleben der Sektion, ihre finanziellen und sonstigen Fähigkeiten wie kaum ein anderer. Er weiß noch nicht, dass diese Kenntnisse in den bevorstehenden Jahren für die Sektion von großem Nutzen sein werden. Und als guter Schatzmeister bringt er eine ordentliche Mitgift mit: Trotz der Ausgaben für den Erwerb/Umbau des Alpenvereinshauses, das mit 340.000 DM zu Buch steht, haben sich wieder rd. 150.000 DM auf den Sektionskonten angesammelt. Eine gute Ausgangsposition für die Zukunft.
Unter den Jungen der Sektion rumort es, das ist ihr gutes Recht. Das Klettern auf künstlichen Kletteranlagen ist "in" geworden. Der Wunsch nach einer Erweiterung der Klettermöglichkeiten im Alpenvereinshaus artikuliert sich, man will nicht mehr nur in die neu erbauten Kletterhallen in der Umgebung fahren müssen, um dieser neuen "Trendsportart" zu frönen. Wenn nichts geschieht, so meinen die in der Jugendarbeit erfahrenen Übungsleiter, läuft uns die Jugend weg. Es wird also 2001 ein Bauplanungsausschuss unter Leitung von Heinz Nold eingerichtet, der die Grundlagen für die Errichtung einer an das Alpenvereinshaus angebauten Kletterhalle erarbeitet.
Vorwiegend die älteren Sektionsmitglieder, die eine Alpenvereins-Unterkunft auf vielen Bergfahrten schätzen gelernt haben, denken immer noch an den Erwerb einer eigenen Hütte und erinnern den Vorstand an dahingehende noch gültige Beschlüsse.
Eine Hütte zu betreiben, ist eben eine der in der Satzung verankerten Hauptaufgaben, schon gar, wenn die Sektion einen stattlichen Mitgliederbestand hat. Vorwiegend die Älteren meinen, dass das Engagement der Sektion in den Alpen über die solidarisch zu entrichtende "Hüttenumlage" hinausgehen soll. Wie die Sektion gerade in dieser Situation auf die Kaunergrathütte kam, das schildert Philipp Albert so:
Ende Juni 2001 ergab sich plötzlich eine neue Situation. Unsere Nachbarn in Rüsselsheim luden anlässlich des 75jährigen Bestehens der Chemnitzer Hütte zu einer Jubiläumsfeier ins Pitztal ein, bei der die Hütte in Abstimmung mit den Nachkommen der ehemaligen Besitzersektion in Chemnitz in "Rüsselsheimer Hütte" umbenannt wurde. An der Jubiläumsfeier nahmen auch einige Mainzer Vorstandsmitglieder und Funktionsträger teil. Bei den Festreden dankte Peter Weber vom Referat Hütten und Wege der Sektion Rüsselsheim für den gelungenen teilweisen Wiederaufbau der Hütte nach Lawinenschaden und ermunterte die anwesenden Sektionsvorstände, die sich für den Erwerb einer Berghütte interessieren, mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Ich wurde dann als damaliger Vorsitzender gebeten, beim DAV München zu erfragen, ob und zu welchen Bedingungen Hütten zur Übernahme angeboten werden. München war erfreut über unser Interesse, und bot uns eine Beteiligung an einer geplanten Betriebsgemeinschaft am "Hochjochhospiz" in den Ötztaler Alpen sowie die "Olperer Hütte" im Zillertal an. Aus dem Pitztal wussten wir zwischenzeitlich, dass die Akademische Sektion Graz die "Kaunergrathütte" für einen symbolischen Preis von 1 Euro abgeben möchte. Da wir im Pitztal ohnehin schon unser alpines Arbeitsgebiet, den Mainzer Höhenweg, hatten, erklärten wir München gegenüber, dass wir mehr an der Kaunergrathütte interessiert wären. Innerhalb der Sektionen des ÖAV gab es den starken Wunsch, diese für die Geschichte der alpinen Ausbildung bedeutende Hütte innerhalb des ÖAV zu behalten, die Sektion Hall in Tirol war zeitweise an einer Übernahme interessiert und die Sektion Linz an der Donau schlug uns wiederholt eine gemeinsame Übernahme vor. Letztendlich sprachen sich aber im März 2002 sowohl die Gremien des ÖAV als auch die des DAV für eine Überführung der Hütte in den Bestand des DAV und eine Übernahme durch die Sektion Mainz aus.
Der Vorstand war sich nun sicher, auch die Zustimmung der Jahres-Hauptversammlung am 25.4.2002 zu erhalten.
Diese mit 104 stimmberechtigten Mitgliedern sehr gut besuchte Jahresmitgliederversammlung 2002 wird allerdings spannend. Die Diskussion um einen Hüttenbesitz wird sehr kontrovers, teilweise hitzig geführt. Ist dies der heutige Zeitgeist, fragen sich einige Mitglieder, dass Alpenvereinsmitglieder an einem alpinen Arbeitsgebiet kein Interesse mehr haben, obwohl sie doch die vom Alpenverein aufgebaute und gepflegte Infrastruktur in Anspruch nehmen? Der Antrag des Vorstands, die Kaunergrathütte zu erwerben, fällt jedenfalls im ersten Anlauf durch. Es soll erst ein Sachverständigengutachten her. Lassen wir hierzu nochmals Philipp Albert zu Wort kommen:
In Erfüllung der Forderung unserer Mitgliederversammlung wurde die Hütte dann am 26.6.2002 von Peter Weber vom DAV München, den zuständigen Dezernenten der Bezirkshauptmannschaft Imst und mir besucht. Wir stiegen morgens über den Cottbuser Höhenweg auf, besichtigten die gewerberechtlich und hygienisch relevanten Einrichtungen, überprüften die Gültigkeit der vorgelegten Genehmigungen und verfassten danach ein umfangreiches, mit Auflagen versehenes Prüfprotokoll. Danach ging es wieder über den Almweg zurück nach Plangeross und Mandarfen und noch am gleichen Tag nach Mainz.
Auf dem Weg sprach mir Peter Weber seine Anerkennung für den Mut der Sektion Mainz zur Übernahme einer so wichtigen Hochgebirgshütte aus und ermunterte uns gleichzeitig, beide Projekte, die Kletterhalle und die Hütte zu verwirklichen. Die Sektion Mainz könne auf die Unterstützung des Hauptvereines rechnen.
Als Ergebnis dieses Besuches erhielten wir von München eine Hüttenbewertung, die im ersten Jahr Investitionen von 225.000 Euro erkennen ließ, von denen 165.000 Euro als Zuschüsse und Darlehen des Hauptvereins und 60.000 Euro aus Eigenmitteln und Spenden von der Sektion getragen werden sollten.